Dürers Latein

Ein Nicht-Akademiker ohne nennenswerte Lateinkenntnisse[1]Thomas Schauerte, Dürer & Celtis: die Nürnberger Poetenschule im Aufbruch. München 2015. S. 15, der weder eine Lateinschule noch eine Universität besucht[2]Anja Grebe, Albrecht Dürer. Künstler, Werk und Zeit. Darmstadt 2006. S. 8, sondern sich seine bruchstückhaften Kenntnisse vermutlich beiläufig über seine gelehrten Freunde erworben[3]Ernst Rebel, Albrecht Dürer. Maler und Humanist. München 1996. S. 30 hat, wobei er gelegentlich suggeriert[4]Thomas Eser, Dürer und das Buch. Facetten einer Beziehung. In: Heilige und Hasen, Bücherschätze der Dürerzeit. Hrsg. Germanisches Nationalmuseum. Bearb. von Thomas Eser und Anja Grebe. Nürnberg 2008. S. 38., dass er mehr davon versteht – was man von Dürers Latein zu halten hat, scheint heute weitgehend geklärt zu sein.

Ist es aber nicht; nicht wirklich. In Wahrheit wissen wir wie so oft nichts Genaues, nicht einmal, ob er eine Lateinschule besucht oder sich lediglich autodidaktisch einige Grundkenntnisse angeeignet hat (oder beides). Dass er mindestens rudimentäre Lateinkenntnisse hatte, davon muss man ausgehen; wieweit er imstande war, Plinius oder andere Autoren selbst zu lesen, ist unklar, einiges spricht jedoch dafür, dass ihm für eine eigenständige Lektüre lateinischer Autoren die Voraussetzungen gefehlt hätten. Unstrittig dürfte sein, dass er mit der antiken Literatur vertrauter war als ein heutiger durchschnittlich gebildeter Europäer, unabhängig davon, ob er sein Wissen eigener Lektüre oder anderen Vermittlungswegen verdankte.

Forschungsmeinungen
  • Mit seinen Lateinkenntnissen war es nicht weit her. So war er z.B. nicht in der Lage, Euklids Elemente der Geometrie zu lesen, die er sich 1505 in Venedig gekauft hatte, und wartete sehnlichst auf eine deutsche Übersetzung.[5]Klaus Leder, Nürnbergs Schulwesen an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. In: Albrecht Dürers Umwelt. Festschrift zum 500. Geburtstag Albrecht Dürers. Herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Nürnberg 1971. S. 29.
  • Dürer hat die üblichen Stadien und Ausbildungsstufen des Handwerkers durchlaufen: zunächst lernte er wahrscheinlich in der Sebalder Pfarreischule Lesen, Schreiben, Rechnen und die Anfangsgründe des Lateins, das er verstand.[6]Werner Schultheiß, Albrecht Dürers Beziehungen zum Recht. In: Albrecht Dürers Umwelt. Festschrift zum 500. Geburtstag Albrecht Dürers. Herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Nürnberg 1971. S. 229.
  • Hätte Albrecht in der Sebalder Schule das Lateinische erlernt – er hätte diesen Umstand wohl eigens betont. Seine Lateinkenntnisse waren jedenfalls, soweit man sie aus Werk und Schrifttum rückblickend beurteilen kann, sehr gering.[7]Rebel 1996, siehe Anmerkung 3.
  • Dürer selbst stellte in seinen Entwürfen zu einem Buch über die Malerei die Forderung, ein Maler müsse Latein können, was er wohl kaum geschrieben hätte, wenn er nicht selber fähig gewesen wäre, einen lateinischen Text zu verstehen.[8]Fedja Anzelewsky, Albrecht Dürer, Werk und Wirkung. 1980 / 1999. In: Albrecht Dürer – Das Gesamtwerk. Sämtliche Gemälde, Handzeichnungen, Kupferstiche und Holzschnitte. Herausgegeben von Mark Lehmstedt. Berlin 2000. (= Digitale Bibliothek 28). S. 37.
  • In den Entwürfen seines eigenen, unvollendeten Projekts eines Malerlehrbuchs regt er aus eigener schlechter Erfahrung an, dass ein Malerjunge nicht nur im Lesen und Schreiben, sondern auch »mit dem Latein awff ertzogen wird, zw versten ettlich geschrift«.[9]Eser 2008, siehe Anmerkung 4.
Aus Briefen von Dürer
  • Vnd jch pit e[wer] w[irden], wo doctor Martinus ettwas news macht, das tewczsch ist, wolt mirs vm mein gelt zw senden.[10]Brief an Georg Spalatin, Nürnberg, Januar oder Februar 1520. In: Dürers schriftlicher Nachlass, hrsg v. Hans Rupprich. Bd. 1. Berlin 1956. S. 86, Z. 23-25.
  • Jtem als jr mir zw sagett, so jr weill möcht haben, wollt jr den Ewklide jn tewczsch bringen, wolt jch geren wissen, ob jr etwas doran gemacht het.[11]Brief an Nikolaus Kratzer, Nürnberg, 5. Dezember 1524. In: Dürers schriftlicher Nachlass, hrsg v. Hans Rupprich. Bd. 1. Berlin 1956. S. 113, Z. 19-21.

Anmerkungen[+]